Laut einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbands Bitkom nimmt das Interesse an Smart Home-Lösungen in Deutschland weiter zu. Mittlerweile haben 41 Prozent aller Menschen in Deutschland mindestens eine Smart-Home-Anwendung installiert. Wir sprachen mit Jörg Heinemann vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. über aktuelle Trends, Zukunftspotenziale und darüber, wie intelligent unser Zuhause heute bereits ist. Dabei wird auch deutlich, warum manch smartes Produkt noch auf seinen Massenerfolg warten muss.

„Herstellern muss es gelingen, einen echten Mehrwert zu schaffen“

Smart Home heute: Aktueller Stand und Trends

Autor: Kristina Franke

Laut einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbands Bitkom nimmt das Interesse an Smart Home-Lösungen in Deutschland weiter zu. Mittlerweile haben 41 Prozent aller Menschen in Deutschland mindestens eine Smart-Home-Anwendung installiert. Wir sprachen mit Jörg Heinemann vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. über aktuelle Trends, Zukunftspotenziale und darüber, wie intelligent unser Zuhause heute bereits ist. Dabei wird auch deutlich, warum manch smartes Produkt noch auf seinen Massenerfolg warten muss.

Bei einem Viertel der Deutschen steht mindestens ein smarter Lautsprecher zuhause
© homeandsmart

Raus aus der Nische

Schon seit vielen Jahren beschwören Branchenkenner, dass der große Durchbruch in Sachen Smart Home unmittelbar bevorsteht. Seitdem ist der Markt für intelligente Haussteuerung zwar enorm gewachsen. Die lang angekündigte smarte Revolution blieb jedoch bislang aus. Dabei kommt es jedoch darauf an, wie man den Begriff „Smart Home“ definiert. „Wir stehen aktuell in vielerlei Hinsicht am Beginn des Massenmarkts“, ist Jörg Heinemann überzeugt. Er ist Teil des Ressort Vorstandes „Smart World“ beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. und Principal für Innovation und Digitalisierung beim E-Commerce Unternehmen OTTO. Ein gutes Beispiel für eine bereits heute erfolgreiche Smart-Home-Lösung ist die rasche Verbreitung von Sprachassistenten (Smart Speaker). Sie haben ihren Weg aus der Nische herausgeschafft und sind mittlerweile in jedem vierten Haushalt angekommen. Der Grund: Sprachassistenten haben einen deutlichen Mehrwert für Nutzerinnen und Nutzer, ohne dass man dazu ein komplettes Smart Home-System installieren muss. „Letztendlich brauche ich nur eine smarte Glühbirne und einen smarten Lautsprecher und dann kann ich das Licht bei mir zuhause ganz einfach per Sprachbefehl steuern“, so Heinemann. Der Bereich Beleuchtung ist für ihn so etwas wie eine Einstiegsdroge in die Welt des Smart Home. „Gerade in der Pandemie haben wir gemerkt, dass unser Zuhause plötzlich auch noch Büro und Schule sein muss. So wurde das Esszimmer am Morgen kurzfristig zum Arbeitszimmer und am Nachmittag zum Unterrichtsraum umfunktioniert. Am Abend wurde gemütlich zusammen gegessen. Für jede Situation brauche ich eigentlich ein anderes Licht. Mit smarten Glühbirnen ist ein solcher Luxus problemlos möglich.“

Vernetzte Haushaltsgeräte werden Standard

Weitere Felder, die momentan sehr erfolgreich wachsen, sind smarte Heizkörperthermostate sowie das Thema präventive Sicherheitstechnik und Einbruchschutz – angefangen von Kameras und Fenstersensoren über smarte Türklingeln bis hin zu smarten Türschlössern. „Das alles sind Produkte, deren Mehrwert die Nutzerinnen und Nutzer relativ schnell verstehen und die auch vom Preis her immer attraktiver werden, da sie momentan vermehrt auf den Markt kommen“, so der Experte.

Jörg Heinemann, Teil des Vorstandes des Ressort Smart World im BVDW und Principal Innovation & Digitalisierung bei OTTO
© BVDW

„Hier sehe ich in Zukunft noch viel Luft nach oben.“ Das gilt ebenso für smarte Elektro- bzw. Haushaltsgeräte wie vernetzte Geschirrspüler, Waschmaschinen und Backöfen, sagt Heinemann: „Unseren Ofen zuhause kann ich ganz bequem von unterwegs anstellen und das Essen ist fertig, wenn ich zuhause bin. Oder ich stelle ein Gericht in den Ofen und der erkennt, was es ist, und schlägt mir automatisch das passende Programm vor. Hier gibt es eine Menge Potenzial – dank künstlicher Intelligenz in Kombination mit modernster Kameratechnik.“ Die Möglichkeit zur smarten Vernetzung wird nach und nach für sämtliche Haushaltsgeräte zum Standard werden. Man müsse jedoch stets kritisch fragen, ob ein smartes Gerät bereits alltagstauglich ist oder nicht. „Beim Kühlschrank etwa steckt der smarte Gedanke meiner Meinung nach noch absolut in den Kinderschuhen. Hier ist der Mehrwert für den Kunden einfach noch nicht groß genug“, findet Heinemann. Blickt man noch etwas ferner in die Zukunft, werden für den Smart Home-Experten auch Haushaltsroboter und digitale Haushaltshilfen eine immer bedeutendere Rolle spielen. So wurde bei der letzten CES in Las Vegas, der weltweit größten Fachmesse für Unterhaltungselektronik, beispielsweise ein Roboter vorgestellt, der durch die Wohnung fährt und Blumen gießen kann. „Dass ein solches Szenario einmal Realität wird, mag man sich jetzt vielleicht noch kaum vorstellen können“, so Heinemann. „Vor dreißig Jahren konnte sich allerdings auch noch niemand vorstellen, dass es einmal Saug- oder Mähroboter geben wird und die technische Entwicklung läuft immer schneller.“

Wachstumsmarkt „Elderly Care“

Ein großer Markttreiber für innovative Smart Home-Anwendungen ist die fortschreitende demografische Entwicklung, also die stetig ansteigende Lebenserwartung von Senioren. Unter Ambient Assisted Living (AAL, auch Altersgerechte Assistenzsysteme) versteht man Methoden, Konzepte, Systeme und Produkte, die das alltägliche Leben älterer oder behinderter Menschen unterstützen. Ziel ist es, Senioren so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in ihren eigenen vier Wänden zu ermöglichen. „Den gewöhnlichen Hausnotruf, der per Knopfdruck am Armband funktioniert, kennen wir schon lange“, so Heinemann. „In manchen Fällen ist das für den älteren Bewohner, der beispielsweise gestürzt ist, aber nicht mehr möglich. Ist aber bspw. der Boden in der Wohnung mit intelligenten Sensoren ausgestattet, die einen Fall automatisch erkennen und daraufhin den Rettungsdienst informieren, ist das ein echter Fortschritt.“ Auch das Thema Sprachsteuerung sei für ältere Menschen enorm spannend, die nur noch schwer aufstehen können. „Hier wird aufgrund des Pflegenotstands und dem Wunsch vieler Menschen, in ihrem eigenen Zuhause alt werden zu wollen, in den kommenden Jahren noch eine Menge passieren. Das sehe ich als sehr positive Entwicklung.“

Eine neue Normalität

Kann man sich einem Smart Home in Zukunft überhaupt noch entziehen? Die Antwort ist nicht eindeutig. Denn auch wenn smarte Geräte immer mehr zum Standard werden, werden Nutzerinnen und Nutzer immer die Wahl haben, ob sie die Vernetzung aktivieren wollen oder nicht. Außerdem kann man sich immer bewusst entscheiden, bestimmte Geräte nicht zu kaufen. Wichtig ist auch, sich nie komplett auf ein Smart Home zu verlassen. „Für den Fall, dass das Internet einmal ausfällt, würde ich ein smartes Zuhause immer so konzipieren, dass ich trotzdem noch ausreichend viele Geräte analog bedienen kann“, meint der Smart-Home-Experte. Eine große Herausforderung besteht in nächster Zeit vor allem darin, dass einzelne smarte Produkte miteinander kommunizieren, auch wenn sie von unterschiedlichen Herstellern kommen. Denn wirklich smart wird ein Zuhause erst dann, wenn die verschiedenen Geräte interagieren und dadurch eine gewisse Form der Automatisierung erfolgt. Im Moment ist es in vielen Fällen noch so, dass Produkte verschiedener Marken nicht miteinander vernetzbar sind. „Das heißt, selbst wenn ich viele smarte Geräte besitze, kann ich damit häufig nicht das volle Potenzial ausschöpfen“, so Heinemann. „Da hapert es im Moment noch an Details. Denn nur wenn man die verschiedenen Lebensbereiche übergreifend aus Sicht von Nutzerinnen und Nutzern denkt und entsprechend handelt, schafft man echte Mehrwerte und Lösungen für Alltagsprobleme.“ Seine positive Vision ist, dass sich das Haus der Zukunft den Routinen seiner Bewohner anpasst und dadurch viele Abläufe sicherer, komfortabler und energieschonender werden. Hier wird nach Ansicht des Experten schon bald noch viel mehr möglich sein.
KF (Stand 08.11.2021)