Smart-Home-Assistenz-Lösungen machen das Leben leichter und sicherer
Selbstständiger wohnen und leben im Alter – dank digitaler Hilfe
In unserer Gesellschaft leben immer mehr Seniorinnen und Senioren, viele mit Unterstützungs- und auch Pflegebedarf im Alltagsleben. Smarte technologische Unterstützung ist dabei ein wichtiges Thema, um den dadurch entstehenden Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können. Sie hilft dabei, mehr soziale Kontakte zu halten und möglichst selbstbestimmt in der gewohnten Umgebung zu leben, auch wenn die körperlichen und geistigen Kräfte nachlassen sollten.

Diskrete Hilfe durch vernetzte Elektroniksysteme
Klaus Scherer ist Experte für Smart Home-Lösungen und der Leiter der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen in der „Smart Home Initiative Deutschland“. Er weist auf eine gegenüber dem privaten Wohnumfeld weitere Lebenssituation hin, bei der Smart-Home-Lösungen die Lebensqualität alter Menschen erhöhen können: „Viele Senioren, die in professionellen Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, können davon ebenfalls stark profitieren. Aber auch das Pflegepersonal kann entlastet werden und die Qualität der Pflege gesteigert werden.“
Ein gutes Beispiel dafür ist die Demenz-Wohngemeinschaft für Senioren des Sozialwerks St. Georg in Neukirchen-Vluyn am Niederrhein. Hier überwachen intelligente Elektroniksysteme mit der Hilfe von Sensoren die Bewegungsmuster der Bewohnerinnen und Bewohner. Sie unterstützen die Arbeit der Pflegekräfte, die nicht in jeder Minute bei ihren Schützlingen sein können. Klaus Scherer: „Die Sensoren erkennen im Zusammenspiel mit der Systemsoftware zum Beispiel, wenn jemand mit Gangunsicherheit und akuter Sturzgefahr aus dem Bett aufstehen will oder wenn ein dementer Bewohner die Wohngemeinschaft verlassen will und melden dies umgehend an die Pflegekräfte.“

Aus den Aufzeichnungen der Sensoren können auch langfristige Tendenzen erkannt werden. Wenn die Daten auf eine sich entwickelnde nächtliche Unruhe hinweisen, kann etwa der Medikamentenmix der dementen Person entsprechend angepasst werden. Heike Perszewski, die Prokuristin der Sozialwerks: „Die Bewohner bemerken meistens die Assistenzsysteme gar nicht, weil sie im Hintergrund agieren. Sie sind Bestandteil des Wohnumfeldes. Die Mitarbeiter fühlen sich sehr unterstützt und wollen am liebsten gar nicht mehr ohne diese Assistenzsysteme arbeiten.“
Smart Home im Alter auch fürs Leben zu Hause
Der Hausnotrufknopf, den ein sturzgefährdeter älterer Mensch am Handgelenk oder an einer Schnur um den Hals trägt, ist längst nicht mehr der neueste Stand der Technik. Wissenschaftlich werden die modernen Assistenzsysteme für mehr Autonomie im Alter unter „Ambient Assisted Living (AAL)“ zusammengefasst. „Das bedeutet: Die Umgebung mit integriertem Elekroniksystem unterstützt das Wohnen und Leben im Alter“, erläutert Klaus Scherer: „In der Wohnung werden Sensoren mit einer zentralen Computer-Box inklusive intelligenter Software installiert, die erfassen, ob die ältere Dame nachts um drei Uhr vom Gang auf die Toilette nach einer üblichen Zeit zurückkommt oder nicht. Ist das nicht der Fall, werden die Kinder, die Nachbarn oder ein Pflegedienst alarmiert – je nachdem, wie das System konfiguriert ist.“ Es ist eine Verbesserung der Lebensqualität, wenn keine Elektronikkomponenten mehr am Körper getragen werden müssen. „Das moderne Assistenzsystem arbeitet wie die Heinzelmännchen von Köln: unauffällig aber nützlich im Hintergrund“. Das smarte Assistenzsystem greift nur dann ein, wenn es nötig ist.
Nützlich ist auch eine automatisch situationsgerechte Ausleuchtung der Wohnung. „Dann werden die normalen Laufwege in der Wohnung besonders gut hervorgehoben, etwa der nächtliche Weg zur Toilette.“ Auch kann das Assistenzsystem über Sensoren an Schranktüren oder am Kühlschrank erfassen, wie sich ein Mensch in seiner Wohnung bewegt. Solche Aktivitätsprofile helfen dann bei der Einschätzung, wie selbständig jemand ist und sie geben Hinweise auf möglichen Unterstützungsbedarf.
Auch bei Menschen mit beginnender Demenz können smarte Assistenzsysteme helfen, Schaden zu vermeiden, etwa beim Brandschutz: „Wenn der Rauchmelder in der Küche einen Alarm auslöst, weil der Herd mit dem Essen nicht abgeschaltet wurde, wird dieser Alarm weitergeleitet und Hilfe geholt.“ Um Fehlalarme zu vermeiden, kann man das System auch so einstellen, dass verschiedene Werte zusammenpassen müssen, bevor die Feuerwehr anrückt. Wenn etwa die Raumtemperatur nicht parallel zum Auslösen des Rauchmelders ansteigt und die Sensoren melden, dass kein potenziell den Brand auslösendes Gerät wie der Herd aktiv ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um einen Fehlalarm handelt, der vermieden werden kann. „Eine gute Smart-Home-Lösung muss robust sein, auch gegenüber Fehlbedienungen“, so Scherer. Deswegen ist es sinnvoll, solche Systeme per Ferndiagnose regelmäßig online auf ihr fehlerfreies Funktionieren zu testen.
Die Kosten sind beherrschbar
Noch haben sich altersgerechte Assistenzsysteme für die Unterstützung beim sicheren und unabhängigen Wohnen und Leben nicht auf breiter Front durchgesetzt. Denn noch viele alte Menschen hatten in ihrem Berufsleben zum Beispiel keine Berührung zur Informationstechnik und Computern. Sie müssen Vertrauen zur digitalenTechnik haben, was oft nicht der Fall ist. Oder sie benötigen Anleitung und Beratung, um Hemmschwellen zu überwinden. Zudem sind viele Lösungen mit Investitionen verbunden. Anders als in Pflegeeinrichtungen muss die Smart-Home-Technik in einer Privatwohnung zurzeit noch häufig aus eigener Tasche bezahlt werden. „Eine Basisausstattung mit vernünftigen Funktionen ist jedoch oft schon für weniger als 1.000 Euro pro Wohneinheit machbar“, erläutert Scherer. „Das entspricht einem Fernseher der gehobenen Preisklasse.“
Telemedizin und Robotik
Auch Telemedizinlösungen, bei denen etwa ein Tablet zum Einsatz kommt, können den Alltag älterer Menschen erleichtern: Beispielsweise kann der Arzt in der Online-Sprechstunde über das Telepräsenzsystem überprüfen, ob der Patient die Blutdruckmessung korrekt durchführt. Regelmäßige Blutdruckmesstermine in der Praxis können damit entfallen. „Komplizierter wird es dann bei online unterstützten Blutzuckertests im Fall von Diabetes,“ meint Scherer. Wenn der ältere Mensch selbst nicht fit ist und mit der Technik nicht zurechtkommt, muss eine technikerfahrene zweite Person vor Ort sein, die den Senior oder die Seniorin bei diesen Messungen unterstützt.
Der Einsatz von humanioden Pflege-Robotern, also von Robotern, die eine menschenähnliche Gestalt haben, hat sich in Deutschland bislang auch noch nicht durchgesetzt. „Das ist einfach kulturabhängig“, meint Klaus Scherer: „In Japan und den USA werden diese Pflegeroboter von den Menschen besser angenommen. Dort gibt es ein anderes Herangehen an die Technik.“ Viele Menschen in Deutschland wollen humanoide Roboter nach seiner Erfahrung weniger in ihrem Wohnumfeld akzeptieren, deswegen scheiden diese Lösungen aktuell für den breiten Einsatz hierzulande noch aus. Bei anderen Robotern gebe diese Akzeptanzprobleme nicht, etwa bei einem Fensterputzroboter oder einem Staubsaugroboter. Klaus Scherer: „Ob assistierende Roboter auch unbedingt so ähnlich aussehen müssen wie ein Mensch, da habe ich eher meine Zweifel.“
WL (Stand: 05.07.2021)