Strom, Gas, Hybrid, Wasserstoff:
Öffentlicher Nahverkehr setzt auf E-Mobilität
Elektromobilität voranzubringen ist auch im öffentlichen Nahverkehr ein großes Thema. Wie sind Bahnen und Busse in diesem Bereich aufgestellt? Welche innovativen Antriebe sind zukunftsweisend? Und wo könnte es noch Verbesserungen geben? Diese und weitere Fragen beantwortet Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).
Großes Potenzial für E-Busse
Grundsätzlich arbeitet man im Bereich öffentlicher Nahverkehr schon seit einigen Jahren daran, fossile Kraftstoffe durch alternative Kraftstoffe zu ersetzen. „Rechnet man im ÖPNV auch den Eisenbahnverkehr mit ein, sind bereits heute schon 66 Prozent aller beförderten Personen mit elektrischen Antrieben unterwegs“, betont Martin Schmitz. Großes Potenzial bietet zudem vor allem der Busverkehr. Seit 2013 konnten durch Förderprogramme verschiedener Ministerien Elektrobusse unterschiedlicher Hersteller eingesetzt und im laufenden Betrieb getestet werden. „Es ist wichtig zu prüfen, ob sich die Fahrzeuge im Alltag bewähren, bevor man sie flächendeckend einsetzt, damit der Betrieb reibungslos weiterläuft.
Welche Reichweite erreichen die Busse tatsächlich? Wie wartungsintensiv sind sie? Gibt es häufig Ausfälle? Wie kommen die Fahrer mit der Technologie klar? sind wichtige Fragen, die zunächst geklärt werden müssen, bevor man in die Massenbestellung geht“, erklärt der Verkehrsexperte. Mittlerweile sei man aber auf einem guten technologischen Stand – immer mehr Städte und Kommunen würden auf Busse mit elektrischem Antrieb umstellen. „Hamburg ist schon seit einigen Jahren intensiv dabei, elektrische Antriebe zu testen, aber zum Beispiel auch Bremen, Münster, Köln, Wiesbaden, Frankfurt am Main, München, Berlin und Leipzig. Insgesamt sind es etwa 50 bis 60 Städte in Deutschland, die Elektrobusse in Betrieb haben.“ Insgesamt sind derzeit deutschlandweit rund 400 E-Busse im Betrieb, weitere 1.500 in Bestellung. Ab Sommer 2021 werden voraussichtlich jedes Jahr rund 500 neue Elektrobusse dazukommen.
E-Mobilität im ländlichen Gebiet noch schwierig
Busse mit elektrischem Antrieb sind vor allem für den Stadtverkehr interessant – in ländlichen Regionen ist der Einsatz eher problematisch, weil die Kapazitäten der Akkus derzeit nicht ausreichend sind. Martin Schmitz: „Die Reichweite liegt aktuell bei etwa 200 bis 250 Kilometern bis ein Bus an die Ladestation muss. Für den Stadtverkehr ist das völlig ausreichend. Im ländlichen Raum benötigt man aber 350 bis 400 Kilometer Reichweite – und das ist momentan noch nicht machbar.“ Da Hersteller aber permanent an der Weiterentwicklung von leistungsfähigeren Akkus mit einer immer höheren Reichweite arbeiten, könnten in Zukunft E-Busse auch außerhalb der Städte unterwegs sein. „Dazu kommt: Auch wenn Akkus häufig wegen ihrer ressourcenintensiven Herstellung in der Kritik stehen – sie lassen sich tatsächlich zu 90 Prozent recyceln. Diese Möglichkeit der Wiederverwendung müsste zukünftig weiter ausgebaut werden“, betont der Experte.
Busse mit Wasserstoffantrieb
Ebenfalls getestet werden Busse mit Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff angetrieben werden. Hier sind vor allem die Städte Hamburg, Köln, Wuppertal und Stuttgart zu nennen, welche diese Busse bereits seit einigen Jahren im Realbetrieb prüfen. In 2021 sollen noch einmal rund zehn weitere Städte und Kommunen folgen. „Die ersten Prototypen mit Brennstoffzellen waren aus betrieblicher Sicht nicht wirklich attraktiv, weil sie im Unterhalt sehr teuer waren. Die neuen Modelle, die jetzt ausgeliefert werden, sind technologisch schon auf einem deutlich besseren Stand – sie lassen sich schnell betanken und haben eine gute Reichweite, was bei den Verkehrsbetrieben gut ankommt“, so Schmitz. Allerdings ist die Wartung bei den Wasserstoff-Fahrzeugen komplexer als zum Beispiel bei Elektrobussen und auch die Lagerung von Wasserstoff ist mit bestimmten Auflagen verbunden.
Gasbusse und Busse mit Hybrid-Technologie
Auch Busse mit Hybridtechnologie sollen künftig nach Vorgabe der EU-Kommission verstärkt zum Einsatz kommen. Hier ist allerdings die Anzahl der Hersteller eher begrenzt. „Es gibt einen Hersteller, der Hybrid-Busse mit einem sehr robusten und stabilen System liefert, das dazu noch die Energiekosten senkt. Hier sehe ich auch weiteres Potenzial, zumal wir in den nächsten vier Jahren die Vorgabe haben, nicht nur 21 Prozent Elektrofahrzeuge, sondern auch 21 Prozent Hybrid- oder gasbetriebene Fahrzeuge anzuschaffen.“ Durch Hybridbusse lässt sich der Spritverbrauch um 5 bis 15 Prozent senken – ein wirtschaftlicher Faktor, der berücksichtigt werden muss. Gasbetriebene Busse spielen in Deutschland dagegen eher eine untergeordnete Rolle. Nur ein paar Städte nutzen diese Technologie und lediglich Augsburg und Oldenburg haben ihre kompletten Busflotten auf Gasbetrieb umgestellt. „Gas verbrennt zwar sauber, aber das Drehmoment ist beim Gasmotor niedriger. Das heißt, das Anfahren mit einem schweren und vielleicht noch voll besetzten Bus ist mühsam – viele Busfahrer empfinden das als großen Nachteil“, weiß der Experte. „Im Moment gehen wir davon aus, dass wir bis zum Jahr 2030 etwa 40 Prozent aller Busflotten elektrisch betrieben werden, davon wahrscheinlich 90 Prozent batteriebetrieben“, so Martin Schmitz.